Mittwoch, 1. Juni 2011

Plötzlich ist alles anders – die Gegenwärtigkeit der Katastrophe


Bis zu diesem Moment war ihre Welt in bester Ordnung, sie kamen gerade von einem richtig schönen Urlaub nach Hause. Alles hat gestimmt, dass Wetter hat die ganzen drei Wochen mitgespielt, herrlicher Sonnenschein und der Strand war super, dass Meer war ein Traum. Aber jetzt freuen sie sich auch wieder zu Hause zu sein. Ihr freundliches Heim mit viel Liebe eingerichtet, die vertrauten Dinge an denen so viele Erinnerungen hängen. Es ist einfach schön wieder die eigene intime Welt zu betreten.
Plötzlich ist alles anders, im ersten Moment gar nicht einzuordnen, nicht zu begreifen. Sie haben die wohl verschlossene Haustür geöffnet und mit stiller Vorfreude das große, helle Zimmer betreten – es ist nicht mehr Ihr vertrautes Zimmer, alles liegt durcheinander, die Terrassentür steht weit offen, die Wände mit Ketschup beschmiert, der beigefarbene Teppich mit einem stinkenden Haufen menschlichen Kots beschmutzt.
Der eigentliche Schaden, so erzählte mir der Klient, dem dies widerfahren ist, war nicht der Verlust und die Zerstörung materieller Dinge. Dieses Haus war ihr sicherer Hafen in dem sie sich nach einem stressigen Tag, aus einer hektischen Umwelt, die nicht immer freundlich ist, zurückziehen konnten. Wenn die Haustür hinter ihnen ins Schloss fiel, waren sie in ihrer eigenen Welt. Dies war mit einem Mal vorbei, die Familie fühlte sich, nach diesem durch brutalen Vandalismus geprägtem Einbruch, in den eigenen „vier Wänden“  nicht mehr zu Hause. Das Ereignis Einbruch, das viele mit der Bemerkung „ist ja nicht so schlimm, die Versicherung zahlt ja“ abtun, uferte in einer handfesten Krise aus. Die Partnerin meines Kunden litt in Folge unter massiven Schlafstörungen und Depressionen. Die Familie zog aus, das Haus wurde verkauft.
Das es uns so kalt erwischen kann, wie diese bedauernswerte Familie, beruht letztendlich auf das Verdrängen der latenten und permanent vorhandenen Möglichkeit des Eintretens eines Schadensereignisses.
Die Möglichkeit für das plötzliche und überraschende Eintreten eines Ereignisses ergibt sich aus der Vielschichtigkeit unserer Umwelt. Stabile Prozesse sind nur ein momentaner, zeitlich begrenzter Zustand und sie können jederzeit von einem chaotischen Zustand unterbrochen werden. Wir können uns nicht auf lineare Entwicklungsverläufe verlassen und müssen damit rechnen, mit unvorhergesehenen Auswirkungen und überraschenden existenziellen Bedrohungen konfrontiert zu werden.
Jederzeit können wir uns in Situationen wieder finden, die wir so nur aus dem Fernsehen kennen - extreme Naturereignisse – tagelang ohne Energieversorgung - Menschen, die plötzlich zur Gefahr werden, weil sie psychische Belastungen nicht mehr aushalten. Es ist falsch zu glauben, es trifft immer nur die anderen. Es sind nicht immer nur die anderen bei denen eingebrochen wird oder deren Haus abbrennt. 
Gibt es keine Akzeptanz für die Möglichkeit eines abrupten Zustandswandels, gibt es auch keine Anstrengungen sich auf plötzliche Schadensereignisse einzustellen. So erklärt sich, warum viele Menschen nicht mal die simpelsten Sicherheitsvorkehrungen treffen. Es werden keine Einbruchsicherungen angebracht, keine Rauchmelder installiert, kein Feuerlöscher angeschafft. Wenn ein Haus eingerichtet wird, steht anderes auf der Agenda: die Räume mit schönen, durchgestylten Dingen füllen, die Medienelektronik auf dem neusten Stand der Technik, die Wellnessoase im Wintergarten – aber; plötzlich kann alles anders sein!

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