Mittwoch, 8. August 2012

Coaching in der Unternehmenssicherheit? – Gedanken über eine Möglichkeit


Heute wird in allen Lebensbereichen gecoacht, mal mehr, mal weniger sinnvoll.
Coaching als Unternehmensdienstleistung, in Ergänzung zu anderen Personalentwicklungsmaßnahmenen, hat sich jedenfalls durchgesetzt und gilt hier als neue Qualität von individueller Beratung und Förderung.
Aber Coaching in der Unternehmenssicherheit? – Momentan wohl eher eine Seltenheit.
Dabei ist der Bedarf, zumindest latent, vorhanden. 





Sicherheit tut Not


Die existenzielle Notwendigkeit der Unternehmenssicherheit ergibt sich aus dem Ziel des Unternehmens, mit produktiver Tätigkeit Wertschöpfung zu erzielen. Jedes Ereignis, dass zusätzlich zu den Vorleistungen den Produktionswert schmälert, reduziert die Wertschöpfung. Sinnvolle Sicherheitsmaßnahmen  senken die Vorleistungen und verbessern so die Wertschöpfung.
Unternehmenssicherheit kann nur aus der Funktion eines ganzheitlichen Sicherheitssystems, vergleichbar mit dem Immunsystem eines gesunden Menschen, entstehen. Das heißt, das System muss sich den unterschiedlichsten  Bedingungen anpassen, es muss Herausforderungen meistern und nach jeder Attacke unempfindlicher werden.
Dazu müssen Risiken erkannt und bewertet werden. Um einen größtmöglichen Zustand von Sicherheit zu erreichen, werden Sicherheitskonzepte erstellt und in Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt. Da Sicherheit ein relativer Zustand ist, müssen Prozesse zum Erreichen dieses Zustandes dynamisch und ganzheitlich sein. Mit Hilfe von Sicherheitsmanagement kann man dieser Forderung nachkommen. Da im Extremfall sämtliche Sicherheitsvorkehrungen zu Fall gebracht werden können, ist es erforderlich, die Notfallplanung und das Krisenmanagement in das Sicherheitsmanagement einzubeziehen.
Ein derartiges Sicherheitssystem kann nur dort entstehen, wo die Unternehmensführung ein Bewusstsein für dessen Notwendigkeit hat.


Das Problem


Psychologen wie der oft zitierte Amerikaner Maslow  sagen dem Menschen ein großes Sicherheitsbedürfnis nach. Warum muss man die Menschen aber regelrecht zwingen, sich ihrem Bedürfnis gemäß zu verhalten? Beispiel Anschnallgurt, er kann im Auto unter Umständen unser Leben retten und ist in jedem Fahrzeug vorhanden, aber erst Gesetz und mögliche Strafe sorgen dafür, dass er auch benutzt wird.
Scheinbar gibt es hier einen Widerspruch. Bei näherem Hinschauen löst sich dieser auf: Denn ob wir uns sicher fühlen oder nicht ist ein subjektives Gefühl. So kann unser Bedürfnis nach Sicherheit befriedigt sein, obwohl wir uns gerade in größter Gefahr befinden.
Das Problem, es mangelt den Menschen mehr oder weniger an ein  Bewusstsein  für die Risiken die sie  eingehen – es fehlt ihnen ein angemessen entwickeltes Risikobewusstsein.
Solange mögliche Konsequenzen aus diesem Manko nur den Verursacher treffen, ist es nur ein persönliches Problem. Aber das ist eher selten der Fall. Schon das Verdrängen von persönlichen Gesundheitsrisiken trifft die Gemeinschaft.
Für uns alle ist es wichtig, Risikobewusstsein zu entwickeln, denn wir tragen Verantwortung für uns, unsere Familien und der Gesellschaft. Besonders sind natürlich diejenigen gefordert, die eine besonders hohe Verantwortung tragen, beispielsweise für ein Unternehmen. Sie sind ähnlich wie der Kapitän eines Schiffes verantwortlich für die Erreichung des Zieles und der Menschen an Bord.
Problematisch ist, dass das subjektive Sicherheitsempfinden der Verantwortlichen im Sicherheitsmanagement Entscheidungen in der Unternehmenssicherheit beeinflusst und es so zu Defiziten kommt. Die Feststellung von Sicherheitsexperten, dass es bei den Entscheidern häufig an Verständnis für gravierende Sicherheitsmängel mangelt, ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich.  Allein die Problematik Know-how-Schutz in deutschen Unternehmen macht die Dringlichkeit einer Korrektur deutlich. Da die Lösung eines Problems nicht auf der Ebene des Bewusstseins erfolgen kann, die das Problem hervorgerufen hat, bedarf es einer Bewusstseinstransformation.

Eine Möglichkeit


Die notwendigen Hilfsmittel für eine Transformation mit dem Ergebnis Risikobewusstsein sind die Komponenten Psychologie und Kommunikation.
In anderen Bereichen ist man sich der Bedeutung dieser Komponenten bewusst und nutzt sie im Rahmen von Personalentwicklungsmaßnahmen in Form von Coaching.
Als unternehmensnahe Dienstleistung hat sich Coaching in den letzten zwanzig Jahren etabliert. Es hat sich dadurch eine neue Qualität von beruflicher Förderung herausgebildet. Nun ist die Zeit reif, Coaching im Sinne von Awareness in der Unternehmenssicherheit einzusetzen.
Coaching im Allgemeinen ist ein Sammelbegriff für individuelle Formen  personenzentrierter Beratung und Betreuung. Dabei geht es um lösungs- und zielorientierte Begleitung zur Förderung der Selbstreflexion sowie der selbstgesteuerten Verbesserung der Wahrnehmung, des Erlebens  und des Verhaltens. Der Coach begleitet seinen Klienten bei der Realisierung eines Projektes oder der Lösung eines Problems.
Diese Definition sollte im vollen Umfang auch auf den Coach für Unternehmenssicherheit zutreffen.  Damit das Sicherheitsprinzip zum Tragen kommt, braucht es ein klares Risikobewusstsein. Der Coach verfügt über das Know-how, seinen Klienten bei der Bewusstwerdung zu unterstützen. Er initiiert einen Prozess, der zu der Erkenntnis führt, dass Sicherheit ein fragiler Zustand ist und die Möglichkeit eines plötzlichen Zustandswechsels permanent vorhanden ist. Aus dieser Erkenntnis wird ein Bewusstsein für Risiken entwickelt und man bemerkt, dass die gefühlte Sicherheit oft nur eine gefährliche Illusion ist. Entwickeltes Risikobewusstsein heißt, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Es hat nichts mit Angst oder Schwäche gemein, eher mit einem Gefühl der entspannten Achtsamkeit und einer daraus entwickelten Vorsicht und Vorsorge.
Ist der Coaching-Prozess so weit vorgeschritten,  ist ein wesentliches Ziel erreicht: Der Coachingnehmer hat sich von seiner illusionären Sichtweise befreit, er kann Risiken erkennen und bewerten. Hier ist nicht die Rede von professionellem Risikomanagement. Vielmehr geht es um ganzheitliches Risikowissen, entstanden aus einem kognitiven Prozess.
Die richtige Bezeichnung währe also Risk-Awareness-Coach.

 

Der Sinn


Eigentlich bräuchten wir alle so einen Coach, denn unser Bewusstsein wird von Ereignissen geprägt, die uns unmittelbar betreffen. Unser Leben verläuft im Normalfall unspektakulär. Ohne direktes Erleben sind wir kaum für mögliche Schadensereignisse sensibilisiert.
Trifft uns ein Schadensereignis, vielleicht ein Sturz von einer Leiter, sind wir, je nach dem wie sehr uns das Ereignis beeindruckt hat, eine zeitlang aufmerksam. Aber auch nur in diesem speziellen Bereich.
Der Coach hilft, auch ohne das Erleben dramatischer Ereignisse, ein ausgewogenes Risikobewusstsein zu entwickeln, das dazu führt, Schäden zu verhindern oder zu mindern.
Er ist Multiplikator der Risiko-, Risikokommunikations- und Katastrophenforschung und sorgt dafür, dass deren Erkenntnisse auch an den „Mann“ gebracht werden.  
In einem Unternehmen steht jedes Schadensereignis, egal ob Know-how-Diebstahl, Brand, Arbeitsunfall oder Datenverlust für Gewinnverlust. Und trotzdem kann man in vielen Unternehmen die Symptome für mangelndes Risikobewusstsein erkennen. Ohne entwickeltes Risikobewusstsein wird es kein professionelles Sicherheitsmanagement geben. Es gibt also viel zu tun.

Das Hindernis


Führungskräfte befinden sich auf ihre Position, weil sie besondere Qualifikationen und Eigenschaften haben. Uneingeschränktes Positiv-Denken und ein unerschütterlicher Glauben an die eigenen Fähigkeiten sind für die Entstehung von angemessenem Risikobewusstsein allerdings eher hinderlich und führen leider oft zu einer Sicherheitsphilosophie der Ignoranz.
Theoretisch gibt es Arbeit für Heerscharen von  Coachs, praktisch  ist die Ursache seiner Notwendigkeit sein größtes Hindernis. Denn die eigentliche Zielgruppe, die Unternehmensleitung, die die Verantwortung für die Sicherheit im Unternehmen trägt, ist letzt endlich gleichfalls vom Virus der illusionären Sicherheit befallen.
So wird Unternehmenssicherheit in kleinen und mittleren Unternehmen oft gar nicht als Aufgabe erkannt. Sicherheitsprobleme werden nicht wahrgenommen, da die Kontrollmechanismen fehlen. Darüber hinaus werden Sicherheitsmaßnahmen nur als unnützer Kostenfaktor und nicht als Wertschöpfungsbeitrag gesehen.
Eine schlechte Ausgangsbasis für die Bewilligung von Mittel für derartige Awareness-Maßnahmen.

Die Perspektiven


Risikobewusstsein ist die Initialzündung für ganzheitliche Sicherheit in Unternehmen. Coaching kann dies bewirken und ist damit eine Chance, die Defizite  in der Unternehmenssicherheit auszugleichen.
Es bedarf wohl eines äußeren Impulses, der ein Wahrnehmen dieser Chance bewirkt. Hierzu ist das Engagement entsprechender staatlicher Institutionen nötig. Die Weichen für eine neue „Risikokultur“ sind bereits gestellt. Davon zeugt zum Beispiel die BMI Publikation „Nationale Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen“ erschienen im Juni 2009. Hier wird unter anderem zu einer verstärkten Selbstverpflichtung der Betreiber zur Prävention und zur Bewältigung von Ereignissen aufgerufen. Und es wird  von einer verstärkten und selbstbewussten Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeit der von dem Ausfall von Infastrukturleistungen betroffener Einrichtungen (Unternehmen) gesprochen. 
Wenn dafür gesorgt wird, diese Gedanken der Sicherheitsvorsorge auch in die Unternehmen zu tragen, ist der Boden bereitet für die Idee des „Risk-Awareness- Coaching“.  
Da wo man schon offen ist für die schlichte Wahrheit, dass Sicherheit durch Menschen zustande kommt, wird man eher bereit sein, Coaching-Angebote zu nutzen.
Es gibt sie ja durchaus, die Unternehmen mit einem funktionierenden Sicherheitsmanagement, die Sicherheitsmaßnahmen nicht nur punktuell, in Reaktion auf erfolgte Schadensereignisse einsetzen, sondern ganzheitlich und vorbeugend. Und in deren Maßnahmenkatalog auch zunehmend Awarenessprogramme zu finden sind.
Hier könnte der Coach unterstützend eingesetzt werden, um die Unternehmenssicherheit weiter zu optimieren und sie auf ein breiteres Fundament zu stellen.
Es gibt für viele Bereiche der Sicherheit, Experten bzw. Berater, der Risk-Coach könnte ihr Wegbereiter sein, denn Sicherheitslösungen werden nur da Anwendung finden, wo man ihre Notwendigkeit erkennt, weil das entsprechende Risikobewusstsein vorhanden ist.